„DABEISEIN IST FAST ALLES“

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Wer das diesjährige Festival besucht hat, der wird auch Franz Lohrengel begegnet sein. Der pensionierte Kunstlehrer lebt und arbeitet seit 2002 als freier Fotograf und Künstler in Berlin-Mitte und hat allein auf dem diesjährigen Festival über die Hälfte der Veranstaltungen besucht – immer neugierig und mit seiner Kamera in der Hand. Aber was bleibt eigentlich hängen, wenn man fast alles gesehen hat? Ein kleiner Festival-Rückblick aus der Sicht eines fleißigen Besuchers.

Wie sind Sie auf das Festival aufmerksam geworden?
Als Künstler und Fotograf kenne ich diverse Projekträume seit Jahren, nutze das Internet und Programmhefte und achte auf Plakate, die in der Stadt aushängen, wie es ja auch für das Festival in diesem Jahr der Fall war. Als neugieriger Betrachter bin ich vor allem in Berlin-Mitte unterwegs und deswegen natürlich etwas verwöhnt. Daher suche ich auch immer wieder die besonderen Momente, die den Zeitgeist widerspiegeln.

Besuchen Sie auch außerhalb des Festivals Veranstaltungen von Projekträumen?
Ab und zu nutze ich auch weitere Veranstaltungen, so wie sie sich nicht mit anderen Vernissagen oder Theaterfotoproben überschneiden, bei denen ich fotografiere. Ich habe auch schon ans Mitmachen gedacht, schaffe es aber nicht auch noch neben meinen ganzen anderen Aktivitäten.

Wie haben Sie das Festival erlebt?
Als ehemaliger Architekt interessieren mich unsanierte Räume, der Umgang mit Dingen und den Möglichkeiten menschlicher Existenz. Dabei darf auch Banales, auch Gescheitertes nicht fehlen. Der tägliche Wechsel über einen Monat spornt einen an, ganz viel zu sehen und die verschiedenen Ideen miteinander zu vergleichen. Beim Festival habe ich vor allem einen performativen, aber auch konzeptionellen Schwerpunkt wahrgenommen. Im Rückblick hat es natürlich auch Schwächen gegeben: Das künstlerische Repertoire könnte für meinen Geschmack vielleicht noch etwas mehr erweitert werden. Ich muss da als Referenz an die Aktionen um die Volksbühnen-Besetzung denken, die ich sehr spannend fand. Aber auf jeden Fall komme ich im nächsten Jahr gerne wieder.

Gab es Veranstaltungen, die Sie besonders in Erinnerung behalten werden?
Spannend fand ich insgesamt die x-embassy in der ehemaligen Australischen Botschaft der DDR in Pankow. Als Immobilie ein sogenanntes Filetstück im Dornröschenschlaf; es wird so leider nicht bleiben. Dann war ich bei tête sehr überrascht, wie viel Arbeitsaufwand, welche Präzision und Qualität in der Präsentation steckten. Eine konzentrierte Kunstausstellung mit Nebenprodukten des künstlerischen Arbeitsprozesses – ein sehr schlüssiges Konzept. Beeindruckend fand ich zum Beispiel auch die Vielfalt der Ideen und die dazugehörigen Erklärungen von Heidi Sill. Fast performativ kamen mir dann die längeren Gespräche draußen vor, wobei ich natürlich nicht im Einzelnen weiß, worüber so angeregt gesprochen wurde.

tête at Project Space Festival Berlin © PSF, photo by André Wunstorf

Wie haben Sie die Stimmung auf den Veranstaltungen wahrgenommen?
Als alter Herr bin ich oft allein unterwegs und muss Kontakt suchen oder mehr Geduld und Zeit zulassen. Mir scheint, dass Nachbarn des Umfeldes der jeweiligen Räume eher weniger zu den Besucher*innen der einzelnen Veranstaltungen zählten, meist sind es wohl die Freundeskreise und die üblichen Verdächtigen. Aber es gab durchaus auch Austausch mit den Künstler*innen oder anderen Besucher*innen. Dazu zwei Worte: Entscheidend im Leben ist immer der persönliche Kontakt. Allein kann man viel schaffen, aber Mitstreiter sind besser.

Das Project Space Festival versteht sich als Festival freier und nicht-kommerzieller Kunsträume. Ist es für Sie wichtig, dass es in Berlin auch solche Veranstaltungen gibt, die sich außerhalb der großen Museen und Institutionen abspielen?
Je schriller ein Raum oder Umfeld, desto besser für mich und andere Besucher*innen. Eines Etiketts bedarf es dabei für mich weniger. Grundsätzlich gilt: Besser ist besser, anders ist aber auch schon mal gut, und Dabeisein ist fast alles.

Interview: Manuel Wischnewski

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